Die Produktion von Flüssiggas (LNG) wird wider jeder Vernunft auch in Wilhelmshaven trotz extremer Klimaschädlichkeit vorangetrieben | foto.hufenbach
Öffentliche Ausgaben auf den Prüfstand stellen
21-10-2025 | Offener Brief
from
Andy Gheorghiu Consulting, Netzwerk Energiedrehscheibe Wilhelmshaven, BI Kein CO2 Endlager e.V., Dr. Rainer Sauerwein, Vorstand BI Lebensraum Vorpommern, Gemeinnütziger Umweltschutzverein pro grün e.V. Paderborn, Shifting Advocacy, BI “No Fracking” im Erdgasfeld Völkersen, BI Intschede Wesermarsch ohne Bohrtürme, BI Flecken Langwedel gegen Gasbohren, Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven, BI Rote Hand Thedinghausen/Achim, BI Walle gegen GasBohren, BI Lintler Geest gegen Gasbohren, Berliner WassertischTo:
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE)Frau Ministerin Katherina Reiche
Scharnhorststrssae 34-37
10115 Berlin
Per E-Mail: info@bmwe.bund.de
Sehr geehrte Frau Ministerin Reiche,
angesichts der angespannten Haushaltslage und der von Ihrem Haus zurückgenommenen Alarmstufe des Notfallplans Gas fordern wir Sie eindringlich auf, die aktuelle Ausbaupolitik sowie den Einsatz öffentlicher Mittel für die LNG-Infrastruktur einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen.
Die öffentliche Finanzierung überdimensionierter LNG-Infrastruktur widerspricht dem Anspruch eines wirtschaftlich verantwortungsvollen Haushalts, belastet die Steuerzahler*innen massiv und ist energiepolitisch nicht mehr zu rechtfertigen.
1. Überkapazitäten ohne Bedarf:
Unter der Vorgängerregierung wurden – trotz mehrerer Studien, die faktenbasiert davor gewarnt haben – klimafeindliche und sehr kostspielige LNG-Überkapazitäten auf den Weg gebracht. [i]Bereits 2023 wurde aus einem Bericht des damaligen Wirtschaftsministeriums unter Minister Robert Habeck deutlich, dass die bis 2030 geplanten LNG-Importkapazitäten von bis zu 130 Mrd. m³ den nationalen Bedarf (74 Mrd. m³) weit übersteigen.
Ein weiterer Ausbau der LNG-Infrastruktur ist nicht notwendig.
2. LNG-Terminals werden zum finanziellen Risikofaktor:
Laut offizieller Antworten der Vorgängerregierung würde der Ausbau der LNG-Standorte den Bund rund neun Milliarden Euro kosten. Wenn zusätzlich Garantien mit einbezogen werden, sind es sogar über 16 Milliarden Euro. [ii]Im Zeitraum Jan 2023–Dez 2024 lag die Auslastung der deutschen LNG-Terminals durchschnittlich bei nur 45 % . [iii]
Zwei FSRUs, die von der Vorgängerregierung für mindestens 10 Jahre gechartert wurden, die Energos Power und die Energos Force, sind trotz beschleunigter Genehmigungen bereits wieder an Drittstaaten weiterverchartert.[iv]
Anfang 2025 kündigte die Firma Deutsche ReGas mit der Begründung „ruinöser Preise“ den Vertrag mit der von der Bundesregierung etablierten DET GmbH für die FSRU Energos Power. [v] Mittlerweile wurde sie an Ägypten weiterverchartert. [vi] Die FSRU Energos Force lag ein Jahr lang am Standort Stade vor Anker, ohne je fossiles Gas einzuspeisen. [vii] Sie wurde nun ebenfalls von der DET unterverchartert und an die Küste von Jordanien verlegt.[viii]
Beide Schiffe haben somit trotz der beschleunigten Genehmigungen ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen keinen Beitrag zur Versorgung geleistet.
Die laut Vorgängerregierung täglichen Charterkosten einer FSRU von ca. 150.000 € (55 Mio. €/Jahr) mussten dennoch getragen werden. Allein in Stade wurden für den nie erfolgten Betrieb der Energos Force außerdem zusätzlich ca. 300 Mio. € Baukosten plus 100 Mio. € Fördermittel investiert – ohneNutzen. [ix]
Für den landseitigen LNG-Standort Brunsbüttel werden außerdem mittlerweile fast 1 Mrd. € Bundesmittel eingeplant. [x] Die Entscheidung der Vorgängerregierung, 50 % der Baukosten zu übernehmen [xi], erfolgte trotz bekannter hoher wirtschaftlicher Risiken. [xii] Eine Ko-Finanzierung durch den Bund ist in Zeiten knapper Mittel nicht länger zu rechtfertigen. Die geplante Beihilfe für das Terminal ist zudem gerade Gegenstand einer Klage des Konkurrenzunternehmens Hanseatic Energy Hub (HEH) vor dem Europäischen Gerichtshof. Dies ist ein weiterer Risikofaktor für die öffentliche Hand und ein Grund, innezuhalten und den geplanten LNG-Ausbau einer grundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen.
3. Marktrisiken und geopolitische Abhängigkeiten:
2024 stammten laut BDEW rund 90 % der deutschen LNG-Importe aus den USA.[xiii] Hierbei handelt es sich fast ausschließlich um besonders teures und klimaschädliches Fracking-Gas. [xiv]Diese Abhängigkeit will die USA durch den Druck auf Europa und den angekündigten US-EU-Energie-Deal, bei dem es den Vereinigten Staaten vor allem um eine Steigerung der US-LNG-Exporte geht, sogar noch erhöhen. Dabei wird dem Leitbild der „Energy Dominance“ folgend offen von der EU und Deutschland gefordert, die eigene Gesetzgebung abzuschwächen oder abzuschaffen. [xv]
Das Versprechen der EU, die US-Energieimporte massiv zu erhöhen, wird zwar auch von Marktanalysten als kostspielig und in der Praxis kaum umsetzbar eingeschätzt [xvi], hat aber dennoch eine katastrophale internationale Signalwirkung und verdeutlicht die Erpressbarkeit der EU durch die gewachsene Lieferbeziehung zu den USA. Dabei warnen jüngst selbst Stimmen aus der Wirtschaft vor der „irrationalen Überschwänglichkeit“ der LNG-Industrie [xvii], die eine „Brücke ins Nichts“ zu werden droht. [xviii]
Zusätzlich zu den LNG-Terminals wird eine überdimensionierte Gasinfrastruktur vorangetrieben | foto.hufenbach
Wir bitten Sie, als verantwortliche Ministerin für Wirtschaft und Energie, angesichts der haushaltspolitischen Lage eine umgehende Neubewertung der Investitionen in die LNG-Importinfrastruktur vorzunehmen und den weiteren Ausbau auszusetzen.
Der Ausbau gefährdet nicht nur die Effizienz staatlicher Investitionen, sondern bindet Mittel, die dringend für die Transformation eines nicht-fossilen Energiesystems benötigt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Andy Gheorghiu Consulting, Netzwerk Energiedrehscheibe Wilhelmshaven, BI Kein CO2 Endlager e.V., Dr. Rainer Sauerwein, Vorstand BI Lebensraum Vorpommern, Gemeinnütziger Umweltschutzverein pro grün e.V. Paderborn, Shifting Advocacy, BI “No Fracking” im Erdgasfeld Völkersen, BI Intschede Wesermarsch ohne Bohrtürme, BI Flecken Langwedel gegen Gasbohren, Zukunftswerkstatt Wilhelmshaven, BI Rote Hand Thedinghausen/Achim, BI Walle gegen GasBohren, BI Lintler Geest gegen Gasbohren, Berliner Wassertisch
Links | Verweise | Downloads
<- Download: Offener_Brief_003_211025_Ministerin-Reiche_Neu-Evaluierung LNG-Au_251021_122855.pdf
[i]
https://www.diw.de/de/diw_01.c.866810.de/publikationen/diw_aktuell/2023_0086/deutschlands_gasversorgung_ein_jahr_nach_russischem_angriff___ine_gesichert__kein_weiterer_ausbau_von_lng-terminals_noetig.html
https://newclimate.org/resources/publications/deutsche-lng-ausbauplane-fuhren-zu-uberkapazitat-und-gefahrden
https://www.diw.de/de/diw_01.c.876525.de/publikationen/wochenberichte/2023_27_3/bundesregierung_ueberschaetzt_bedarf_an_fluessiggas-infrastruktur__kommentar.html
https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.893566.de/diw_aktuell_92.pdf
[ii]
https://www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-947812
https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Energiewende/LNG/LNG_Imports_from_the_US__Report__englisch_.pdf
[iii]
https://ieefa.org/european-lng-tracker
[iv] https://www.giignl.org/news/egypt-to-charter-fsru-from-germany
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/jordanien-statt-stade-lng-spezialschiff-untervermietet,lng-140.htmlbru
[v]
https://www.fr.de/wirtschaft/ruinoese-gaspreise-ploetzliche-vertragskuendigung-eines-deutschen-unternehmens-mit-habeck-ministerium-zr-93563524.html
[vi]
https://www.giignl.org/news/egypt-to-charter-fsru-from-germany
[vii] https://www.thb.info/rubriken/maritime-wirtschaft/detail/news/dauerstreit-um-lng-in-stade.html
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/immer-noch-kein-gas-was-ist-los-am-lng-terminal-stade/
[viii]
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/lueneburg_heide_unterelbe/jordanien-statt-stade-lng-spezialschiff-untervermietet,lng-140.htmlbru
[ix]
https://rundblick-niedersachsen.de/ist-das-lng-terminal-stade-ein-millionengrab
[x]
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr/lng-terminal-brunsbuettel-kosten-100.html
[xi]
https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/03/20220305-kreditanstalt-fuer-wiederaufbau-gasunie-und-rwe-unterzeichnen-mou-zur-errichtung-eines-lng-terminals-in-brunsbuettel.html
[xii]
https://www.ndr.de/nachrichten/info/kemfert-lng-terminal-brunsbuettel-wird-sich-nicht-rechnen,kemfert-100.html
[xiii] https://www.smard.de/page/home/topic-article/444/215644
[xiv]
https://news.cornell.edu/stories/2024/10/liquefied-natural-gas-carbon-footprint-worse-coal
https://europe-calling.de/webinar/methan-hintertuer/
[xv]
https://www.euractiv.com/interview/interview-it-will-be-bad-for-the-us-but-even-worse-for-the-eu-if-it-doesnt-abandon-key-green-laws/
[xvi]
https://ieefa.org/resources/deja-vu-eu-risks-overreliance-one-gas-supplier
https://www.gasworld.com/story/video-lng-a-risky-environment-and-unpredictable/2164814.article/
https://www.youtube.com/watch?v=m1hVZp5yDpQ
https://www.theparliamentmagazine.eu/news/article/135-trillion-the-great-transatlantic-overpromise
https://newclimate.org/news/the-gas-boom-no-one-ordered
[xvii]
https://gasoutlook.com/analysis/gulfstream-lng-ceo-calls-out-industrys-irrational-exuberance/
[xviii]
https://www.bloomberg.com/opinion/articles/2025-10-09/liquified-natural-gas-risks-becoming-a-bridge-to-nowhere
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